Gymnasium Buchloe
Die Architektur eines Schulhauses wäre dann gut, wenn sich Schüler- und Lehrerschaft abends darauf freuen, am nächsten Morgen wieder dort sein zu dürfen. Auch, wenn im hohen Alter die ehemaligen Schüler sich gerne an den Ort zurückerinnern, an dem sie ihre wesentlichen Jahre des Lernens verbracht haben.
Es soll also ein Ort sein, der schon von aussen, in seiner Lage und Einbindung in Landschaft und Stadt, von besonderer Qualität ist. Weder, dass er sich als Gegensatz wichtig tut, noch, dass er sich anbiedert, wie die nächsten Nachbargebäude aussehen zu wollen. Neubauten sollten so sein, dass sie die Qualitäten der Umgebung steigern. Schulbauten kommt in diesem Sinne eine große Bedeutung zu, weil die öffentliche Hand, also Land oder Stadt damit zeigen, wie ihr Beitrag zu unserer Baukultur aussehen soll. Sie sind also bereits Teil eines öffentlichen Bildungsangebots. Auch lässt sich an der Architektur der Bildungseinrichtungen ablesen, welchen Wert unsere Gesellschaft der jungen Generation beimisst.
In diesem Sinn zählt der Entwurf von Schulgebäuden zu den vornehmsten und schönsten Bauaufgaben.
Wie aber kann allein schon der Ort im Falle des neuen Gymnasium von Buchloe eine Verbesserung erfahren, da das gegebene Grundstück von so ganz unterschiedlichen Seiten umgeben ist? Auf der Ostseite steht eine Eislaufhalle, deren bescheidene Architektur nicht als Vorbild dient. Nördlich schließen sich die Bauten der bereits bestehenden Schulbauten an, während westlich eine schöne Wiese bis zum Wasserlauf der Gennach reicht. Auch nach Süden erstreckt sich ein weitläufiger Grünraum, der allerdings am Wall der lärmintensiven Autobahn endet.
Mit dem Entwurf des lang gestreckten Baukörpers können wir auf die unterschiedlichen Bedingungen reagieren. Von der Stadt her kommend präsentiert sich das Schulgebäude in seiner gesamten Länge und bildet einen Abschluss der Wiese nach Westen, der gestalterisch problematische Nachbar nach Osten wird somit verdeckt. Nach Norden vernetzt sich das Haus mit seinem geöffneten Innenhof mit dem anschließenden Schulkomplex. Dem Lärm der Autobahn im Süden begegnen wir mit dem Volumen der Dreifachsporthalle, die an den drei anderen Seiten von den Lern- und Verwaltungsräumen des Gymnasiums gleichsam umarmt wird. Um die Grundrissfigur begreifen zu wollen, stelle man sich einfach ein H vor, dessen untere Hälfte mit Volumen gefüllt ist. Der rechte und linke Arm des H`s ist dabei vorwiegend mit Klassenräumen bestückt, während der horizontale und verbindende Strich des Buchstabens die Aula und Eingangshalle aufnimmt. Dies bildet demzufolge das Herz der Anlage und ist beidseitig an die Zugänge und anschließenden Wege angebunden. Das große, quer liegende Oberlicht bringt nicht nur genügend Tageslicht in die Halle, sondern ist als Zeichen für das Zentrum des Komplexes von weitem einsehbar. Beidseitig an die Halle sind die eher öffentlichen Nutzungen angelegt: der Speiseraum mit Zugang zum Innenhof auf der einen und die Bühne für Vorführungen auf der anderen Seite. Über beide Teile kann die Halle erweitert werden und dient damit der Schule als Aula.
Der Grundriss der Klassentrakte entspricht weitgehend dem klassischen Raum- und Organisationsschema von Schulgebäuden. Eine Besonderheit stellen die Flurtrennwände dar, die als Fertigteile so geformt sind, dass sich Wandnischen bilden, die als Sitznischen, für Schrankwände oder Garderoben genutzt werden können. Der südöstliche Trakt nimmt die Bibliothek und die Zimmer für die Verwaltung auf.
Die äußere Erscheinung des Hauses nimmt Rücksicht auf die Verwendung traditioneller und am Ort gebräuchlicher Materialien: grob verputzte Steinfassaden bei den Haupteingängen zur großen Halle und Holzverkleidungen an den Klassentrakten. Die Stulpschalung erhielt eine dunkle Lasur, was einen schönen Kontrast zu den weißen Fensterrahmen und –laibungen ergibt. Zum Schutz der Holzwände ist das Dach weit überkragend, das unterseitig ebenfalls weiß gestrichen ist. Wir wollten dem Schulhaus eine Gestalt verleihen, die auf den ersten Blick vertraut ist, aber dennoch unverkennbar sich als neues Gebäude zeigt.
Das Gebäude erfüllt nicht nur den Passivhausstandard, sondern ist darüber hinaus unter Betrachtung des Lebenszyklus von Konstruktion und Ausbau konzipiert. Die Baustoffe sind, soweit möglich, aus natürlichen Materialien, die robust und reparaturfähig sind.
Bauherr:
Landkreis Ostallgäu, vertreten durch das Landratsamt Ostallgäu, Marktoberdorf
Generalunternehmer:
Georg Reisch GmbH & Co. KG, Bad Saulgau
Architekten:
LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart
Mitarbeit:
Thilo Holzer, Sophie Röcker, Hannah Thibault
Projektsteuerung:
Pfaller Ingenieure, Neumarkt
Fachbauleitung:
Architekturbüro Käppeler, Bad Waldsee
Tragwerksplanung:
Hangleiter Baustatik, Bad Saulgau
Planung Heizung Lüftung Sanitär:
Ingenieurbüro K+P GmbH & Co. KG, Tuttlingen
Planung Elektro:
Ingenieurbüro Werner Schwarz, Grünkraut
Passivhausberatung:
Herz und Lang GmbH, Weitnau
Bauphysik:
Brüssau Bauphysik GmbH, Fellbach
Aussenanlage:
Ingenieurbüro Kovacic, Sigmaringen
BGF:
ca. 9.900 qm
Nutzfläche:
ca. 6.800 qm (gesamt)
ca. 500 qm (Aula)
ca. 810 qm (Doppelsporthalle)
Wettbewerb:
2009 – 1. Preis
Bauzeit:
2012 – 2013
Standort:
Kerschensteinerstraße 8, 86807 Buchloe
Veröffentlichungen
Lederer Ragnarsdóttir Oei 2
Lederer, Arno / Ragnarsdóttir, Jórunn / Oei, Marc (Hg.)
Jovis Verlag Berlin 2021
P059-P117 Architektur im Allgäu 2006-2015
Architekturforum Allgäu (Hg.)
2018
Zukunftsfähiger Schulbau – 12 Schulen im Vergleich
Edition Detail, 2017
Schulbau – Bauen für Bildung
1 | 2015
Klasse Schule – So baut die Welt.
ifa – Institut für Auslandsbeziehungen (Hg.)
Stuttgart 2014
ISBN 978-3-92197065-2
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