Sparkasse Ulm
Die Anfang der fünfziger Jahre als Hauptverkehrsachse breitspurig angelegte „Neue Straße“ wurde in den neunziger Jahren zurückgebaut. Mit den Bauten der Sparkasse von Stephan Braunfels und der Kunsthalle von Wolfram Wöhr gelang in Ulm die Rückkehr zu einem dichten Stadtbild unter Verwendung einer Architektur, die sich der Moderne verpflichtet fühlt. Das Vorbild dafür war zweifelsohne das zunächst umstrittene, dann aber erfolgreiche Stadthaus von Richard Meier gegenüber dem Münster.
Als weiteren Baustein in dieser Reihe plante die Sparkasse einen zusätzlichen Verwaltungsbau im Anschluss an die in den sechziger Jahren errichtete Hauptstelle auf der westlichen Einfahrt in die Neue Straße. Für dieses Gebäude schrieb die Sparkasse Ulm in Zusammenarbeit mit der Stadt 2007 einen Wettbewerb aus, den unser Büro gewinnen konnte.
Der wesentliche Gedanke unserer Planung beruht auf der Frage, welche Art von Gebäude in Bezug auf Plastizität und Materialisierung der Stadt an dieser Stelle den besten Mehrwert bringen könnte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite nach Norden steht ein bemerkenswert wuchtiger Baukörper aus dem sechzehnten Jahrhundert, der „Neue Bau“ genannt, der mit seiner Ziegelfassade den Eingang zur Neuen Straße markiert. Diesem geschichtsträchtigen Ort dachten wir einen Baukörper gegenüberzustellen, der gemeinsam mit dem „Neuen Bau“ den Eingang in die Neue Straße bildet. Die Straße bildet im Übrigen eine Kante, die nach Süden hin um ein gutes Geschoss abfällt. Der Baukörper folgt diesem Geländeschnitt, der nunmehr durch die Staffelung im Dachgeschoss ablesbar bleibt. Die südlichen Nachbargebäude stehen in der Dichte altstadttypischer Abstände, so dass von dort das Haus in seiner eigentlichen Größe nicht frontal wahrgenommen werden kann.
Uns hat der „Neue Bau“ mit seinen alten Ziegelmauern sehr gut gefallen. Auch dessen anschließende Mauerteile, die unter einer Brücke hindurch die Neue Straße unterqueren und unmittelbar bis zu dem Neubau der Sparkasse führen. Deshalb lag es nahe, ein ähnliches, wenn nicht sogar gleiches Material für die geschlossenen Wände des Neubaus zu verwenden. Aufgrund unserer Erfahrung mit gebrauchten Ziegeln konnten wir den Bauherrn von den Vorteilen des alten Steins überzeugen. Nicht nur wegen der Übereinstimmung mit den historischen Fassaden, sondern auch, weil die Wiederverwendung abgebrochenen Baumaterials ein wichtiges Thema in der Nachhaltigkeit und Berücksichtigung von Stoffkreisläufen darstellt. Insofern kommen hier zwei Themen zusammen: das des Stadtbildes, an dem wir weiterbauen dürfen, wie auch das der Nachhaltigkeit selbst. Auch denken wir, dass auf diese Weise eine harmonische Übereinstimmung mit dem historischen Bestand möglich ist, ohne dessen Formenapparat nachzuahmen oder zu imitieren.
Dem sehr geschlossenen Charakter der Steinwand stellten wir Fensterbänder in Zick-Zack-Form aus polierten Edelstahlrahmen gegenüber. Die Vor- und Rücksprünge kommen aus der Überlegung, dass kleine Büroräume durch das erkerartige Vor- und Rückspringen eine viel angenehmere Wirkung haben. Immerhin weisen im Büroraster die kleinstmöglichen Räume eine Breite von 2,7 Metern aus. Dass solche Raumzuschnitte eine höhere Akzeptanz haben, hatten wir bereits bei vorangegangenen Projekten erfahren können. Für die Wirkung im Stadtraum kam uns die Faltung der Fensterbänder ebenfalls zupass. Nicht nur, dass sich die Fassade des „Neuen Baus“ vielfältig darin spiegelt, sondern auch, weil die Sparkasse Ulm dadurch einen beispielhaften Umgang mit der historischen Umgebung deutlich machen und gleichzeitig ihre Modernität zum Ausdruck bringen kann.
Im Grundriss ist das 6 bis 7 geschossige Gebäude als klassischer Dreibund entwickelt: rundherum tagbelichtete Büros, Nebenräume, Erschließungen und Teeküchen in der Mitte. Der innere Kern ist durchgehend mit Birkenfurnier verkleidet, die gegenüberliegenden Wände bestehen aus einfachen weiß lackierten Systemtrennwänden mit durchgehenden Oberlichtbändern. Ein kleiner Veranstaltungsraum ist direkt von der Straße aus zugänglich und befindet sich im 2. Untergeschoss, eine Garage nur für Fahrräder befindet sich im 1. Untergeschoss. Im Nachbargebäude das von einem Ulmer Büro, ebenfalls für die Sparkasse Ulm, im selben Zeitraum fertiggestellt wurde befinden sich die PKW-Stellplätze. Die beiden Gebäude sind in den Untergeschossen und im 3. Obergeschoss mit einem Steg verbunden.
Bauherr:
Sparkasse Ulm, Ulm
Architekten:
LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart
Mitarbeit:
David Fornol, Simone Neuhold, Wolfram Sponer, Lukas Volz
Projektsteuerung:
Drees & Sommer GmbH, München | nps Bauprojektmanagement GmbH, Ulm
Tragwerksplanung:
Röder Ingenieure (NS West), Ulm
Planung Elektro und HLS:
ARGE Conplaning / Schreiber, Ulm
Bauphysik:
Kurz und Fischer GmbH, Winnenden
Brandschutz:
um + t Umweltmanagement und –technik, Ulm
Geologie:
GeoBüro Ulm
Prüfingenieure:
Stadt Ulm
Vermessung:
Ingenieurbüro Wassermüller, Ulm
SiGeKo:
um + t Umweltmanagement und –technik, Ulm
Grundstücksfläche:
880 qm
BGF:
8.187 qm
HNF:
3.592 qm – für ca. 200 Mitarbeiter
BRI:
24.774 cbm
Wettbewerb:
2008 – 1. Preis
Bauzeit:
2013 – 2015
Standort:
Neue Straße 60, 89073 Ulm
Auszeichnungen
Beispielhaftes Bauen Alb-Donau-Kreis und Ulm 2013-2019
Architektenkammer Baden-Württemberg
Winner-Auszeichnung beim German Design Award 2018
Hugo-Häring-Auszeichnung 2017
BDA Ulm Donau Iller
Nominierung für den „European Union Prize for Contemporary Architecture – Mies van der Rohe Award 2017“
Nominierung für den DAM Preis für Architektur 2017
Deutsches Architekturmuseum (DAM) Frankfurt
Veröffentlichungen
Lederer Ragnarsdóttir Oei 2
Lederer, Arno / Ragnarsdóttir, Jórunn / Oei, Marc (Hg.)
Jovis Verlag Berlin 2021
Arquitectura Viva
04 | 2021
Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau (Hg):
Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg
Stuttgart 2020
Yorck Förster, Christina Gräwe und Peter Cachola Schmal (Hg.):
Architekturführer Deutschland 2017
DOM publishers, Berlin
ISBN: 978-3-86922-549-4
11 | 2016
DBZ
9 | 2016
Detail
6 | 2016
Baumeister B5
5 | 2016
The Architectural Review
2 | 2016
Bauwelt 4
22.01.2016
Sparkasse Ulm (Hg.):
Sparkasse Ulm. Für Ulm und den Alb-Donau-Kreis.
2016
MARK – Another Architecture
12 | 2015
AIT
12 | 2015
Stuttgarter Nachrichten
10.09.2015
Neue Zürcher Zeitung
19.03.2015
Fotos
Roland Halbe, Stuttgart